Deutsch-polnische Polizisten jagen Autoschieber

Von Jan-Henrik Hnida

 

Swiecko (MOZ) Manchmal geht es auf Polizeistreifen auch um innere Werte. Zum Beispiel dann, wenn statt eines BMWs ein Laster vor der Streife fährt – obwohl das GPS-Signal klar dem bayrischen Markenauto zuzuordnen ist. Die Beamten lüften das Geheimnis auf dem nächsten Parkplatz irgendwo in Polen: Unter der LKW-Plane kommt der BMW aus Deutschland zum Vorschein, der Autoschieber wurde überführt. Die Daten dazu lieferte das Gemeinsame Zentrum (GZ) im polnischen Swiecko.

„Die GPS-Ortung von gestohlenen Autos kommt regelmäßig vor“, sagt Peter Kurpiers. Der ehemalige Leiter und heutige Mitarbeiter des GZ repräsentiert die bilaterale Fahndungs-Zusammenarbeit in Swiecko, nahe Frankfurt (Oder). Große Laster und Autos fahren pausenlos rechts und links an der Polizeistation vorbei. „Die Lärm- und Abgasbelastung ist hier schon enorm“, sagt der Beamte. Mit ihm arbeiten in den ehemaligen Grenzabfertigungsgebäuden 62 weitere Polizisten, Zöllner und Grenzschützer aus Polen und Deutschland. Doch nicht Verfolgungsjagden auf der Autobahn oder das Ausheben von „Schrauberlagern“ haben oberste Priorität – dafür sind die jeweiligen Polizeistellen vor Ort zuständig.

„Wir sind die Servicedienstleister für unsere Kollegen“, erklärt Kurpiers. Die Spezialität des GZ ist die Beantwortung der 20 000 Ersuche im Jahr. Dazu zählen Anfragen zur Fahrerlaubnis, zur Korrektheit des Autokennzeichens oder Fahndungen. Seit über zehn Jahren, mit dem Wegfall der deutsch-polnischen Grenze, ist die der verglaste, ehemalige Bürokomplex 24 Stunden täglich geöffnet. „ Das Licht geht niemals aus“, sagt Kurpiers mit einem Augenzwinkern. Mit dem Abkommen zur deutsch-polnischen Zusammenarbeit sind die Dienststellen „gemischt“ und „dauerhaft“ besetzt. Was in der leblosen Beamten-Sprache hölzern klingt, wird im Großraumbüro mit Leben gefüllt.

„Czesc“ (Hallo) begrüßt Kurpiers auf Polnisch seine Kollegen. Im ersten Stock sitzt die deutsche Polizei der polnischen Policija gegenüber. An der Computer-Insel arbeiten Beamte beider Länder rund um die Uhr zusammen. Zu den 15 Brandenburger Polizisten kommen noch einer aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen hinzu. „Hier in Frankfurt/Slubice ist das Nadelöhr“, sagt der 58-Jährige. Die Vorkommnisse seien höher als anderswo. Zum Beispiel Autoschieberei. Autos werden in Deutschland geklaut und über Polen nach Osteuropa verkauft.

Entdecken polnische Polizisten ein verdächtiges Fahrzeug geben Sie das Kennzeichen oder den Fahrzeugtyp ans GZ durch. Diese recherchieren in speziellen Datenbanken oder beim jeweiligen Hersteller, ob das Nummernschild zum Fahrzeugtyp passt und schicken die Infos zu den Polizisten am Einsatzort. „Oft ist das eine Angelegenheit von fünf Minuten“, sagt Kurpiers. Seine deutsch-polnischen Kollegen erhalten spezielle Sprachkurse für die grenzübergreifende Zusammenarbeit.

Im Falle einer Fahndung kann die Antwort auch länger dauern. Beispielsweise schicken polnische Beamte in ihrer Sprache ein Ersuchen ans GZ. Ein Dolmetscher übersetzt das Schreiben ins Deutsche und schickt es an die Bundespolizei weiter. Diese leitet es ans Landeskriminalamt weiter – bis der Täter ermittelt ist. Dann muss der Befund wieder ins Polnische übersetzt und nach Warschau gesendet werden – wo die Hauptkommandantur sitzt. „In Polen ist vieles noch zentralistisch geregelt“, findet Kurpiers. Das macht die hoch administrative Arbeit nicht gerade leichter. Hinzu kommt, dass sich das deutsche und polnische Strafrecht oft erheblich unterscheidet. Fahren ohne Führerschein und das unerlaubte Entfernen vom Unfallort werden im Nachbarland als Ordnungswidrigkeit gewertet – in Deutschland sind es Straftaten. Einen Vorteil sieht der Repräsentant des GZs in der landeseinheitlichen Meldedatei Polens. „Alleine im Märkischen Oderlandkreis hast du schon drei verschiedene Ämter.“

Trotz aller Unterschiede: „Wir sind gleichberechtigte Partner“, sagt der erfahrene Polizist. Gerade der Kontakt zu polnischen Dienststellen „in der Tiefe“ sieht Kurpiers als großen Vorteil – im Landesinneren. So konnten spektakuläre Fälle gemeinsam aufgeklärt werden: Als vor fünf Jahren aus einem Berliner Autohaus fünf Bentleys im Millionenwert gestohlen wurden, konnten drei der fünf gestohlenen Fahrzeuge bereits eine Woche später in Polen sichergestellt werden. 2017 konnte eine kriminelle Bande aufgedeckt werden, die landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge stahl. Durch das Zentrale Ermittlungsbüro der polnischen Polizei in Poznań fand ein Zugriff auf eine „Schrauberwerkstatt“  statt. Hierbei wurden insgesamt 170 Maschinen und Traktoren sichergestellt. Es handelte sich ausschließlich um Diebesgut aus Polen und Deutschland.

Seit einiger Zeit treffen sich in Swiecko wöchentlich auch Staatsanwälte beider Länder, um in die Kriminalitätsbekämpfung miteinbezogen zu werden. Möglicherweise bald in einer anderen Behausung. „Unser Leiter ist gerade auf der Suche nach einem anderen Objekt“, sagt Kurpiers.  Dazu kommen bevorstehende Straßenbauarbeiten an der Ländergrenze. „Wenn es hier einspurig wird, komme ich gar nicht mehr über die Straße, wenn die Lkw hier angerauscht kommen“, muss der 58-Jährige fast rufen – so laut ist der Verkehr. An der bilateralen Servicedienststelle der Polizei ist innen und außen immer was los.

© Foto: Jan-Henrik Hnida